Ignoranz der Demonstration im Widerspruch zu „Wir haben verstanden!“

Seit vielen Monaten hört man eine Ansage aus der breiten Masse von Politikern: „Wir haben verstanden!“. Diese schlägt durch weitere Aussagen wie „Den kleinen Mann zuhören!“, „Die Leute sollen sich nicht mehr abgehangen fühlen!“ oder „Kein weiter so!“ im Grunde genommen in die gleiche Kerbe. Aufgegriffen wurde es vor allem von der Politikern der sogenannten Volksparteien, die einen deutlichen Trend mit Verzögerung zu verstehen beginnen, nämlich der stetige Sinkflug der Wahlergebnisse. Hier ist unter anderem die Rede von einer „Abstrafung“, auch diese weitere Erkenntnis ist eine gute und durchaus richtige Schlußfolgerung.

Schauen wir uns in diesem Zusammenhang doch mal das wertvolle Grundrecht der Demonstration, als mächtiges Instrument in unserer freien Demokratie an. Hier zu Lande hat ein jeder das Recht zu demonstrieren, für Themen und Anliegen, die einen jeden Bürger sehr unter den Nägeln brennen müssen. In der Folge verabredet man sich mit Gleichgesinnten, um mit einer Demonstration auf die Themen und Anliegen möglichst aufmerksam zu machen.

Soweit so gut und ohne jeglichen Zweifel ein tolles Recht. Auch die politische Elite ermutigt und fördert den Gebrauch dieses demokratischen Instrumentes, exemplarisch Herr de Maizière der im Wortlaut bei einem Interview sagte: „Ich habe nichts gegen Demonstrationen, die Leute dürfen so oft und gerne demonstrieren, wie sie wollen, aber friedlich muss es sein.“ Zwischen den Zeilen vermutet man eine weitere Äußerung, die nicht gerade mühevoll versteckt zu sein scheint – aber dazu später mehr.

So finden in diesem Land allerlei Demonstrationen statt, ob lokal, regional, landesweit oder gar bundesweit. Dabei gibt es häufig genug eine nennenswerte Anzahl an Teilnehmern. Und an diesem Punkt verkennt die Politik – egal ob lokal, regional, landesweit oder gar bundesweit – das Gewicht der Aufschreie. Es werden offensichtlich stets nur die nackten Zahlen der Teilnehmer betrachtet. Doch die Vertreter der Volksparteien übersehen eine offenkundige wenn auch kaschierte Wahrheit: Die Zahl der Teilnehmer ist wesentlich höher zu bewerten, denn die tatsächlichen Teilnehmer stehen stellvertretend für eine durchaus größere Anzahl an Menschen, die ein gleiches Begehren haben. Es entspringt einen schlichten Verstand, dass in der heutigen Zeit noch mehr Menschen teilgenommen hätten. Leider sind diese durch Arbeit, einer Vielzahl  von anderen Terminen, finanzielle oder gesundheitliche Einschränkungen und einer Menge anderer Gründe verhindert. Zudem kommt eine eklatante Anzahl von weiteren Menschen hinzu, die einfach nicht daran glauben derart Gehör zu finden. Allein die Menge die mich mit Aussagen wie „Ist doch verlorene Zeit!“ oder „Bringt doch eh nichts!“ ist erschreckend, weil es gefühlt mehr als jeder Zweite äußert. Nur eines haben all diese Menschen, ob verhindert oder mit verlorenen Glauben, gemeinsam: In ihren Köpfen steckt das gleiche Anliegen und dieses Anliegen bleibt in der Wahlkabine erhalten.

Wir können durchaus festhalten, dass jeder aktive Teilnehmer an einer Demonstration eine Vielzahl von Menschen mit einem gleichen Begehren vertritt. Es versteht sich von selbst, dass wir keinen genauen Faktor definieren können, aber dieser spielt nicht wirklich eine Rolle. Er kann bei 10 liegen, oder 10, vielleicht gar bei 100 oder mehr. Jedoch steht fest: Eine Demonstration steht stellvertretend für den Aufschrei eine wesentlich höheren Anzahl von Menschen, die nicht real zu sehen sind, aber ein ähnliches Gedankengut tragen. Wenn man jetzt eine lokale Demonstration mit 4.000 Teilnehmern nimmt, dann ist diese eher mit 40.000 zu bewerten, entsprechend müssen die regionalen, landesweiten und bundesweiten Teilnehmerzahlen auch ein anderes Verhältnis zugesprochen bekommen.

Und spätestens hier gibt es einen deutlichen Bruch mit der Politik, denn es gibt regelmäßig Demonstrationen auf allen Ebenen mit einer relevanten faktischen (aktive Teilnehmer im richtigen Verhältnis multipliziert) Teilnehmerzahl, die schlichtweg ignoriert werden. Wie komme ich zu dieser Auffassung: In welchem Interview innerhalb der Medienlandschaft oder Rede innerhalb eines politischen Gremiums wurde irgendeine der Demonstrationen aufgegriffen? Wo findet man einen Mitschnitt, in dem es heißt „da draußen waren Leute demonstrieren und wir werden über deren Begehren sprechen müssen, wir müssen es in unseren Debatten und Entscheidungen angemessen vertreten“.

Es ist einfach nur beschämend, welche Wertschätzung unser wertvolles Recht der Demonstration bei der Politik erfährt. Dabei geht es nicht nur um das Recht seine Meinung ausdrücken zu dürfen, es geht insbesondere darum, gehört zu werden. An dieser Stelle ziehe ich den Bogen zu der Aussage von Herrn de Maizière, denn zwischen den Zeilen kann man sehr leicht und deutlich lesen: „Die Inhalte sind eh bedeutungslos, egal wie oft und gerne!“.

Das Rätsel der sinkenden Wahlergebnisse kann so offenkundig gelöst werden, liebe Volksparteien. Ihr solltet euren Aussagen „Den kleinen Mann zuhören!“, „Die Leute sollen sich nicht mehr abgehangen fühlen!“ oder „Kein weiter so!“ einfach Bedeutung beimessen und Folge leisten – der Wink mit dem Zaunpfahl ist im Land noch ausreichend vorhanden – die Demonstrationen.

Aber stattdessen stellt sich eine Bundeskanzlerin Merkel, einen Tag nach dem Bundestagswahl-Debakel an die Mikrofone und sagt: „Ich verstehe nicht, was wir jetzt anders machen müssten!“ – leider auch stellvertretend für zu viele Politiker der Volksparteien.

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